Wie sich der HSV selbst zerstört

15.02.2014 14:34

 

Wütende Fans, weinende Spieler und überforderte Führungspersonen. Beim Hamburger SV hat sich die Lage nach der letzten Bundesliga-Niederlage (0:3) gegen die Aufsteiger des letzten Jahres Hertha BSC brisant zugespitzt. Die sechste Niederlage in Folge. Zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte. Und am Mittwoch-Abend auch das Pokal-Aus. Selbstverständlich hat niemand eine Überraschung der Abstiegskandidaten gegen den Rekordmeister FC Bayern München erwartet. Gleichwohl sich die Fans im Stadion nicht so schnell haben hingeben lassen. Den Beistand ihrer Anhänger hat die Mannschaft zur Zeit bitter nötig. Aber auch der kann die Krisen-Serie nicht stoppen. Demütigende fünf Tore der Bayern zeigten erneut, dass es der Marwijk-Elf eindeutig an Qualität aber auch an Biss fehlt. Denn im Gegensatz zu ihren Fans gaben sich die Spieler ihrem Schicksal hin. Ohne Konzept, Konzentration und Kampfgeist vergruben sich die Nordlichter in den tiefen Abstiegsabgrund. Sich aus diesem herauszuspielen wird in den nächsten Wochen eine waschechte Mammutaufgabe sein.

 

Und als wäre die mangelnde Leistung der Spieler nicht schon Problem genug, zeichnet sich besonders in den schweren Tagen auch die Führungsetage durch Unprofessionalität und Inkompetenz aus. Nach der Niederlage gegen Hertha Berlin fordern die Fans immer wieder den Rücktritt des Vorstands und sprechen sich für einen neuen Kandidaten als Trainer aus. Felix Magath. Ein Name, der auch schon nach der Beurlaubung von Thorsten Fink in den Medien kursierte. Aber schon da machte Magath seine Einstellung gegenüber der Vereinsführung deutlich. Der Trainer-Posten war es nicht der ihn reizte, vielmehr war der dreifache deutsche Meister daran interessiert die Führungsstrukturen zu verändern, und den Traditionsverein wieder in die richtige Richtung zu lenken. Ein Vorsatz, der sich jetzt mehr als wirksam erweisen würde. Dem Verein fehlen ganz klar Menschen aus dem Fußball, die in der Lage sind Situationen einzuschätzen. Insbesondere wenn sich der Verein auf dünnem Eis befindet, und kurz davor steht unterzugehen. Aber machen wir uns nichts vor, schwimmen tut der HSV ohnehin schon seit einigen Jahren. Mit einer Kombination von selbstzerstörender Vereinspolitik, Fehleinkäufen und der dadurch stagnierten sportlichen Leistung auf dem Platz, schoss sich der HSV selbst ins Aus. Nicht einmal der zurückgekehrte „Messias“, Rafael van der Vaart kann seinen Verein und seine Stadt von dem Bösen erlösen. Und nun sammelt man seit Rückrundenbeginn satte 15 Gegentore. Verheerend ist aber die Tatsache dass nicht ein einziger Ball, noch nicht einmal aus Zufall, im Netz der Gegner landete.

 

Für Trainer Bert van Marwijk eigentlich Grund genug die Koffer gepackt zu haben und seinem Zwischenstop in Hamburg ein Ende zu setzen. Immerhin schien er einen längeren Aufenthalt auch nicht geplant zu haben. In den vergangenen sechs Monaten bezog der Holländer nämlich nur ein Zimmer eines Hamburger Hotels. Nicht unbedingt ein Zeichen von Zuwendung und Hingabe. Ganz im Gegensatz zu dem Vorstand, der spricht dem Trainer volles Vertrauen aus. Denn auch nach sechs Niederlagen in Folge sieht der Vorstand keinen Grund den Vize-Weltmeister zu entlassen. Man spreche mit einer Stimme. Eine Stimme, der keiner so recht folgen kann. Eines der Vereinsorgane genauso wenig. Der Aufsichtsrat schien am vergangenen Sonntag mit seinem neuen Chef Jens Meier endlich Charakter zu zeigen. Die Krisensitzung am vergangenen Sonntag sollte die brenzliche Lage entschärfen und den Meilenstein setzen, der endlich wieder Licht ins Dunkle bringen sollte. Zahlreiche Reporter verfolgten das Geschehen. Acht Stunden solle heiß darüber diskutiert worden sein, ob man sich für die Entlassung des gesamten Vorstandes mit Präsident Carl-Edgar Jarchow, Sportdirektor Oliver Kreuzer und damit auch Trainer Bert van Marwijk entscheide. Wirklich heiße Diskussionen enden dann aber doch meistens mit einem Ergebnis. Aber nein. Auch da haben wir den HSV überschätzt. Selbst nach einem solchen Sitzungs-Marathon bleibt Pressesprecher Jörn Wolf nichts anderes übrig als zu verkünden, dass es nichts zu verkünden gäbe. Herbe Ironie? Nein – absoluter Ernst. Sich selbst durch den Kakao zu ziehen gelingt dem Verein deutlich besser als wirksame Entscheidungen zu treffen.

 

Im Grunde genommen scheint es unglaublich, dass man den Schritt zu Felix Magath nicht gewagt hat. Nach heimlichen Treffen der Kontrolleure aus dem Aufsichtsrat mit dem Ex-Hamburger, habe man sich geeinigt Magath als Alleinherrscher in Doppelfunktion als Trainer und Manager installieren zu wollen. Natürlich ist es aber für den Verein rein finanziell gesehen eine Hürde, den gesamten Vorstand zu feuern und deftige Abfindungen zu zahlen, von Geld, was eigentlich nicht da ist. Aber auch nur eigentlich- denn auch dafür hat sich eine lukrative Chance geboten. Bekennender Magath-Fan und HSV-Investor Klaus-Michael Kühne war bereit die sechsstelligen Abfindungen zu finanzieren, um dem HSV-Retter Magath den Weg frei zu räumen. Auch für Felix Magath selbst ist eine Herzensangelegenheit gewesen, "seinen" Verein vor dem Untergang zu retten. Dafür bekam er auch reichlich Zuspruch von Fans aber auch von Experten. Sky-Experte Jan Age Fjörtoft teilte seine Meinung schon eine Woche zuvor mit. Nur noch Felix Magath könne diesem Verein noch helfen. Während es allen einleuchtete, zeigte nur die Vereinsführung Zweifel. Begründet wurden diese aber in keiner Gelegenheit. Eine Stimme fehlte der Pro-Magath Fraktion, um den Vorstand zu kippen und die Revolution zu starten. Man muss sagen, wenn selbst schon Laien klar war, dass Felix Magath die beste Option für den HSV war, wird es sicherlich auch dem Verein klar gewesen sein. Zweifel an der Qualität und Kompetenz hatte man nicht. Schließlich hätte man mit „Quälix“ eine Persönlichkeit und Autorität, die die Spieler momentan mehr als nötig hätten. Das muss jedem klar gewesen sein. Es muss andere Gründe für die Barrikade der Kontrolleure gegeben haben. 

 

Man kann nur annehmen, dass Magath auch immer noch darauf bestand nach der Vereins-Rettung vor dem Abstieg den Posten des Präsidenten übernehmen zu wollen. Immerhin war dieses Ziel auch schon bekannt. Mir bleibt nur die Erklärung, dass es hier um das traurige Schicksal des Bundesliga-Dinos geht, in dem das Führungspersonal sein persönliches Wohlbefinden dem Verein und seiner gesamten Tradition vorzieht. Bevor Magath Köpfe rollen lässt, geht man lieber das Risiko ein, den schwimmenden Verein ertrinken zu lassen. Es ist bedauernswert wie sehr Macht soziale und gesellschaftliche Werte, wie zum Beispiel auch den Besitz eines Gewissens, bei Menschen ausschalten kann.

 

Den HSV-Fans und allen, die diesen Club für seine Vereinsgeschichte schätzen, bleibt zu wünschen, dass die Mannschaft gemeinsam mit den Fans im Rücken, die Sache selbst in die Hand nimmt und den bedeutenden Sieg des Sports gegen den Eigensinn am Ende der Saison eifährt und die Bundesliga-Uhr weiterhin ticken lassen. Wir drücken die Daumen im Abstiegs-Endspiel gegen Eintracht Braunschweig!

 

Von Irena Vukovic